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Biografie
Pale Heart
„I just do what I do. I like to make music.“
-Neil Young
Brüderpaare sind im Rock‘n‘Roll keine Seltenheit. Von den Allman Brothers über die Beach Boys bis zu den berüchtigten Gallagher-Brüdern bei Oasis gab es durch alle Jahrzehnte, durch alle Genres und durch alle Länder immer wieder Geschwister, die ihre enge Verwandtschaft für ihren künstlerischen Ausdruck nutzten, ebenso leidenschaftlich gemeinsam komponierten wie sie sich fetzten. Pale Heart aus Stuttgart gehören auch dazu. Gegründet 2008 unter dem Namen White Daze, ging das Trio um die Brüder Marc und Nico Bauer sowie Sebastian Neumeier von Tag eins ganz und gar auf im warmen, zeitlosen und angenehm beseelten Sound des Blues Rock vergangener Tage. Ein Grundgefühl, das muss ganz ohne Untertreibung und gleich zu Beginn gesagt werden, das die Siebziger im Hier und Jetzt erneut lebendig werden lässt. Geprägt von der Gegenwart, genährt von der Vergangenheit, ist ihr Sound längst nicht nur eine Kombination dieser beiden Welten. Es ist eine elegante Verschmelzung, bei der etwas wahrhaft Neues entsteht.
Viel ist seither geschehen. Das Debütalbum „Taste“ erschien 2014, gefolgt von den beiden EPs „Revelation“ und „Preflight“, dazu über 100 Konzerte (mit Graveyard, auf den Jazzopen, mit DeWolff oder the Brew...), vor allem aber auch eine gewisse persönliche Reife. Das ist aber auch wirklich kein Wunder: Zum Zeitpunkt der Gründung von White Daze waren Marc Bauer (Gesang, Gitarre) und Sebastian Neumeier (Schlagzeug) gerade mal 15 Jahre, Nico Bauer (Orgel, Piano) sogar erst zarte zwölf Lenze jung. „Wir haben als Teenies angefangen, Musik zu machen und wussten einfach, dass wir Musiker werden wollen“, so Sänger und Gitarrist Marc Bauer. Das wollen sie heute noch viel mehr. 2017 erfolgt deswegen die erste Häutung. Da liegen bald zehn Jahre Bandgeschichte hinter den dreien, eine Zeitspanne, die viele Bands gar nicht mehr erreichen, bevor sie sich wieder auflösen. Den engen Freunden wird so etwas nicht passieren. Dafür hat ihre Band längst einen zu hohen Stellenwert. Und wer sie nur einmal auf einer Bühne – ob groß, ob klein, ob voller Laden oder lichte Zuschauerreihen – gesehen hat, der weiß, weshalb: Diese drei brennen für den Blues, fühlen, verstehen ihn. Und machen mit Pale Heart genau die Musik, die sie selbst am liebsten hören.
„Wir stehen vor dem nächsten Schritt ins Leben – und den wollen wir unter einem neuen Bandnamen fortführen.“ Damit sind sie nicht die ersten. U2 hießen einst The Hype, Oasis nannten sich The Rain, The Who fingen als The Detours an. Nun wird aus White Daze eben Pale Heart. Und wie alles bei ihnen, hat auch das einen ganz bestimmten Grund. „Pale Heart ist eine Metapher für einen Teil der Gesellschaft, der narzisstisch, egoistisch und gierig ist“, erklärt Nico Bauer. „Die Musik jedoch bringt Menschen zusammen, offenbart Emotionen. Im Gegensatz zum Namen steht sie für ein äußert erfülltes Herz.“ Also, Flausen im Kopf sehen echt anders aus.
Die Schließung des ersten Kapitels bringt nahtlos den Beginn des zweiten mit sich. Mit dem Namen Pale Heart geht die Band in der klassischen Triobesetzung erneut ins Rennen. Und hat goldene Zeiten vor sich. Wohlig, erdig und brummend klingt ihr neues Material, innig empfunden von jedem einzelnen und vorgetragen auf maximal authentische Weise. Blues, Rock, Soul, Prog-Anleihen und dezent psychedelisch kaskadierende Melodien, bei aller Tiefe nie verkopft, bei aller Eingängigkeit nie platt. Pale Heart wollen nicht Musik machen, um cool zu sein, Weiber abzuchecken oder auf Hipster-Blogs abgefeiert zu werden. Pale Heart wollen Musik machen, weil es Musik ist, die sie erfüllt. Und klingen 2017 noch befreiter, noch leidenschaftlicher, noch enthemmter.
„Es gibt keine Schranken mehr“, nickt der Sänger. „Wir tun alles, um einen Song so zu arrangieren wie er in unseren Köpfen klingt. Wir haben uns früher oft an anderen Bands orientiert und somit auf gewisse Weise unsere Kreativität eingeschränkt. Das ist vorbei.“ Man hört sie zwar noch, die Vorbilder der drei. Die Doors, die Allman Brothers, die Spencer Davis Group, Steely Dan. Wichtiger als alle Einflüsse ist aber längst ihre Besetzung geworden. Als klassisches Power-Trio fahren sie einen raumfüllenden Sound auf, den man so eher von einem Sextett erwarten würde, ganz im Sinne legendärer Trios wie der Jimi Hendrix Experience, Wolfmother oder ZZ Top errichten sie munter massiv dichte Blues-Rock-Gemälde voller Charisma, Gefühl, voller Chuzpe. „Früher haben wir es mit Bassisten probiert, mit einem Saxofon, wussten generell nie, ob wir zu dritt tatsächlich vollkommen sind. Jetzt wissen wir es.“
Statt einem Bass blubbern hier Hammond-Orgel und Moog-Synthesizer, selbst ein Gong findet sich in ihrem warmen Sound. Für die Dramatik. Keine Frage, da hat sich eine Band gefunden, die noch dieses Jahr ihr erstes Album veröffentlichen und damit ordentlich überraschen, beeindrucken und durchstarten wird. „Musiker gehen nicht in Ruhestand. Sie hören erst auf, wenn sie keine Musik mehr in sich haben“, hat Louis Armstrong einst gesagt. In diesem Sinne haben Pale Heart noch einen erfreulich langen Weg vor sich. „Mit White Daze haben wir den Weg geebnet“, sagt Marc Bauer abschließend, „und mit Pale Heart haben wir neue Kraft, um ihn weiterzugehen.“
Björn Springorum