Christiane Rösinger - Lieder ohne Leiden - Uebel & Gefährlich

Tue. 04. April 2017, 20:00 Ora

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// Christiane Rösinger

04.04. Hamburg, Uebel & Gefährlich

Ja, fast hat man das Gefühl eines Comebacks:
Christiane Rösinger ist zurück! Dabei liegt ihr
Debütsoloalbum „Songs Of L. And Hate“ gerade mal
sechs Jahre zurück. Und es ist ja nicht so, als sei die
Musikerin und Autorin in der Zwischenzeit komplett
von der Bildfläche verschwunden. Zwei Bücher sind in
der Zwischenzeit erschienen („Liebe wird oft
überbewertet“, und „Berlin-Baku“), Hörbücher wurden
aufgenommen, es wurde ausgiebig getourt, die
monatliche Flittchenbar kuratiert, durch den Kiez
flaniert und der eigene Garten bestellt.
Nun also endlich das zweite Solo-Album mit neuen
Liedern aus der Feder von Christiane Rösinger,
instrumentiert, aufgenommen und produziert von
Andreas Spechtl. Ging es auf dem Vorgänger-Album
und seinem Titel mit dem Buchstaben „L“ vor allem um
die Liebe, dreht sich nun alles um das Leiden. Wobei
Liebe und Leid ja oft genug eng beieinander im Bett
der Pärchenlüge liegen.
Aber Moment mal: „Lieder ohne Leiden“? Christiane
Rösinger und Lieder ohne Leiden?! Wie soll das nur
gehen?! Wer den Titelsong hört wird schnell
feststellen: Gar nicht.
Es bleibt ein Wunsch. Der Wunsch einer sensiblen
Künstlerin, eben nicht schon wieder leiden zu müssen,
um daraus ein wundenleckendes Lied zu machen.
Aber schon gleich im Album-Opener „Kleines Lied zum
Anfang“ verrät uns Frau Rösinger ihr bewehrtes
Erfolgsrezept: Sie ist nun mal ein melancholischer und musikalischer Charakter. Und zwangsläufig entstehen
so neue Lieder. Der Sound des Albums ist dabei aber
opulenter und farbenfroher geraten, als die zum Teil
noch bedrückendere Film Noir-Stimmung auf „Songs
Of L. And Hate“. Die Musik von 60ies Girl-Groups à la
Shangri-Las, aber auch die Musik der Beach Boys und
Burt Bacharach galten Andreas Spechtl als Vorbild für
den Klangteppich auf „Lieder ohne Leiden“.
Im Gentrifizierungs-Stampfer „Eigentumswohnung“ hat
man fast das Gefühl, die alten Lassie Singers wieder
zu hören, die ja auch immer viel 60ies-Bubblegum in
ihre Musik zu injizieren wussten. Inhaltlich ist „Lieder
Ohne Leiden“ bei aller für Christiane Rösinger
typischer Lakonie eine messerscharfe
Gegenwartsanalyse zwischen dem Leben im Prekariat
und der Rendite der Generation Erben. Und dem
gedanklichen Raum dazwischen, in dem auch schon
mal der „stumpfen Arbeit“ ein Lob ausgesprochen wird,
um sich vom narzisstisch-gestörten Kreativzwang
unserer Zeit zu befreien.
Am Ende aber halten alle Lieder – wie schon in
Heinrich von Kleists Reflexion über die Steine im
Rundbogen – fest zusammen. Das Gebäude steht,
weil alle Steine gleichzeitig einstürzen wollen. Bei
Kleist Grund für eine epistemologische Beunruhigung.
Bei Rösinger werden wunderschöne Lieder draus. Und
es bleibt ein tröstlicher Gedanke: Wenn alles
niederzustürzen droht, stürzt womöglich nichts
darnieder: „Dass auch ich mich halten würde, wenn
alles mich sinken lässt“, singt sie im Abschlussstück
„Das gewölbte Tor“. Leiden dürfen wir trotzdem.
Uebel & Gefährlich
Feldstraße 66 - 20359 Hamburg - DE
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