Taiwan Philharmonic
Shao-Chia Lü, Dirigent
Ray Chen, Violine
Gordon Chin, "Upsurge" (dritter Satz aus der Sinfonie Nr. 3 "Taiwan")
Sergej Prokofjew, Konzert für Violine und Orchester Nr. 2 g-Moll op. 63
Dmitri Schostakowitsch, Sinfonie Nr. 5 d-Moll op. 47
Zumindest von Berlin aus betrachtet ist „Osten“ das verbindende Element dieses Programms: Aus Taiwan stammen nicht nur Komponist Gordon Chin, der junge Star-Geiger und erste Preisträger des Königin-Elisabeth-Wettbewerbs Ray Chen und das Orchester des Abends. Auch die Sinfonie Nr. 3 von Gordon Chin widmet sich ausdrücklich der Inselrepublik vor der Küste der Volksrepublik und ihrer bewegten Geschichte: „Upsurge“, „Aufwallung“, heißt der Satz, der zu hören sein wird. Dann geht es nach Russland: Das zweite Violinkonzert komponierte Sergej Prokofjew 1935 in einem Stil, den er „Neue Einfachheit“ nannte. Es entstand in Paris, Woronesch und Baku. Währenddessen spielte der reise- und exilmüde Komponist immer häufiger mit dem Gedanken, sich wieder in Moskau niederzulassen – was er 1936 mitsamt Familie auch tat. Ein fataler Zeitpunkt, denn in Russland begann gerade der „Große Terror“ der Stalinschen Säuberungen und verschlang nicht nur die Utopie einer neuen kollektivistischen Musik und Kunst. Auch Dmitri Schostakowitsch lebte damals in ständiger Angst, von der Geheimpolizei verschleppt zu werden, hatte Depressionen und Suizidgedanken. Bei seiner 5. Sinfonie, die er fern von Leningrad auf der Krim komponierte, ging es für ihn um alles. Mit ihrer Komposition sollte der in Ungnade Gefallene beweisen, dass er ein linientreuer Künstler war. Das Werk hatte riesigen Erfolg und wird bis heute kontrovers beurteilt. Ob subversiver Gehalt oder nicht, Triumph- oder entlarvender Todesmarsch – Schostakowitsch war zwar gedemütig, aber zumindest vorerst gerettet.