Berliner Schule / Protopop | Berlin
Einlass: 20.30 Uhr | Beginn: 21.00 Uhr
VVK: 11 € (zzgl. VVK Gebühren) | AK: 14 €
„Warum denn eigentlich Berliner Schule/Protopop?“
"Keine Ahnung, Cheffe. Die Leute fragen uns immer wie wir unsere Musik nennen.“
„Und ihr nennt die so? Musik mit Schrägstrich, oder wie?“
„Nee, irgendwann meinte mal jemand zu uns das sei ‚Berliner Schule‘ was wir da machen. Und ein Toningenieur sagte mal zu uns: ‚Nennt eure Musik doch einfach Protopop.‘“
„Und jetzt könnt Ihr Euch nicht entscheiden, oder wie?"
"Nee, Cheffe! Wir finden beides vollkommen bescheuert. Aber was Willste machen. Irgendwas musste ja drauf schreiben, ne?“
Mein Eindruck bei meiner ersten Begegnung mit der Band: Sehr selten treffe ich jemanden, der sich den eigenen Bandnamen mit Tipp-Ex auf die schwarze Lederjacke schreibt, so wie Tobias Bamborschke, Sänger, Gitarrist und Songwriter. Das fand ich prompt gut, eine Geste, die nicht nur an Punk-Ikonographie andockt, an das Sich-Trauen (sowohl, sich die Jacke zu besudeln als auch, die eigene Band ohne jegliches Understatement abzufeiern), sondern auch eine Geste, die das Naive und Abgeklärte enthält, was Rock&Roll in all seinen gelungenen Inkarnationen so aufregend macht, diese besondere Mischung aus verspielter Unschuld (im Sinne von: rein, nicht korrumpiert, nicht zynisch) und Bescheid-Wissen (im Sinne von: cool, es kapiert haben).
In der bisherigen Berichterstattung über Isolation Berlin wurde in einhellig begeistertem Ton geschrieben – völlig zurecht, weil man kein Raketenwissenschaftler oder Industrie-Insider sein muss (und was wissen die schon, siehe oben) um zu ahnen, welche Wellen diese tolle Band mit ihrem tollen Album schlagen wird. Beim Versuch ihren Sound zu beschreiben, werden allerdings häufig ähnliche und naheliegende Vergleiche bemüht, die meistens zu kurz greifen und auch übersehen, welche Bandbreite die Band beherrscht. Ohne Widerspruch und ohne wie eine Pastiche cooler Pop-Styles zu wirken, gleiten sie musikalisch von 60s-Beat-Chansons (denke: die junge Francoise Hardy) über psychotischen Noiserock (denke: Sonic Youth, Jesus Lizard) zurück in fast volksliedhafte Balladen (dass das in echt sehr viel berührender kommt, als es aufgeschrieben klingt, prüfen Sie bitte anhand des Song "Herz aus Stein"). Im Text streifen sie die für Pop zwar gängigen Themen (Liebe, Exzess, Verlust, Wahn, Stadt usw), schaffen dabei aber ebenfalls spielerisch den Dreh, so aufrichtig zu sein dass sie nie ins Klischee oder Altbekannte abgleiten, und so humorvoll, dass sie nie naiv wirken.
Im Album-Opener "Produkt" darf die personifizierte Platte bzw. Band aus der Ich-Perspektive sprechen: "Ich bin ein Produkt, ich will, dass man mich schluckt... ich will, dass ihr mich liebt und auch die ganze Welt. Ich lebe für Applaus bis der Vorhang fällt." Eigentlich sollte dieser Song ab jetzt jedes Album, das je erscheint, eröffnen, weil darin so klar die Dialektik jeglicher Kunstproduktion, aller Musik erkannt wird. Und natürlich wird auch das Quasi-Pathologische des Künstlertums thematisiert, dieser diffuse, tragische Wunsch, über die Kunst Anerkennung zu finden und Liebe zu erfahren. Uff. Eine knappere, pointiertere, schönere (und dabei mitsingbare!) Analyse dessen, was wir alle treiben, die wir Musik machen, veröffentlichen, beschreiben, promoten, kaufen, hören, gibt es derzeit nicht – zumal es sich um keine Anklage des Kapitalismus handelt und wie er Künstlerseelen entstellt, sondern um eine wertungsfreie Beschreibung. Grandios!