Drei Götter erscheinen dem Wasserverkäufer Wang und fordern ihn auf, sie zu einem guten Menschen zu bringen. Dieser soll den dreien Unterkunft für die Nacht gewähren. Die Prostituierte Shen Te ist als Einzige bereit, die drei Götter aufzunehmen – sogar, obwohl ihr damit ihre nächtlichen Einnahmen entgehen. Als Dank stiften ihr die Himmlischen das Startkapital für einen kleinen Tabakladen. Aber Shen Te ist eine schlechte Unternehmerin: Ihre Bereitschaft zu helfen, indem sie ihren Besitz teilt und verschenkt, wird radikal ausgenutzt – von ihrer Kundschaft wie von ihrem Geliebten. Um ihr Unternehmen zu retten, weiß sich Shen Te nicht anders zu helfen, als ein Alter Ego zu erfinden. Als skrupelloser Vetter Shui Ta baut sie den verschuldeten Laden zu einem ausbeuterischen wie prosperierenden Tabakimperium aus. Doch lange hält sie dem Druck ihrer doppelten Identität nicht stand ...
Brechts Parabel „Der gute Mensch von Sezuan“ (1943) erzählt anschaulich, wie die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen nicht nur die geschäftlichen Lebensbereiche, sondern auch die Privatsphäre durchdringt. Ist es in einer neoliberalen Gesellschaft naiv, an der Idee „gut zu sein und doch zu leben“ festzuhalten? Wie könnte moralisches Handeln dann aussehen?