Eigentlich, sagt Jesse Tabish, versuche er unbewusst immer klassische Musik zu schreiben. Tatsächlich wirken die Songs seiner Band Other Lives stark durchkomponiert. Hinter jedem Sound, jedem Schlag auf die Drums steckt eine konkrete Absicht. Das sei bei Musik doch immer so, kann man entgegnen. Aber bei den drei Multiinstrumentalisten aus Stillwater, Oklahoma, darf man das deutlich wörtlicher nehmen: Der Fokus von Tabish (Klavier, Gitarre, Gesang), Jonathon Mooney (Klavier, Gitarre, Geige, Cello, Trompete, Percussion) und Josh Onstott (Bass, Keyboards, Gitarre, Percussion, Background-Gesang) ruht auf der hörbaren Klarheit, der nächsten Melodie, dem nächsten Rhythmus, der nächsten Phrase. Diese Überzeugung manifestiert sich im jüngsten und dritten Album „Rituals“, das Anfang Mai erschienen ist. Erstmals haben Other Lives ihre Heimat verlassen, um ihre Stücke in Portland zu schreiben und aufzunehmen – nur um einen neuen Spirit zu finden und auf Reisen neue Inspiration zu finden. An fast jedem Song haben sie einen Monat oder länger gearbeitet bis er endgültig dem Klang entsprach, den das Trio sich vorgestellt hat. Diese Kompromisslosigkeit ist die einzige Möglichkeit Musik zu machen, sagt Tabish: „Wenn jemand nicht die Art von Musik macht, die er eigentlich möchte, dann soll er lieber Zahnarzt oder so etwas werden.“ Ob die Welt tatsächlich so viele Zahnärzte braucht, sei dahingestellt. Sicher ist, dass das üppige, lebendige, vielschichtige, seligmachende Opus „Rituals“ zutiefst persönlich ist und alles Herzblut der drei enthält. Im Sommer kommen Other Lives auf Tour und machen aus ihrem Album ein unglaubliches, symphonisches Ereignis.
